ZFC

ZFC steht für Zermelo-Fraenkel'sches Axiomensystem mit Auswahlaxiom (engl. axiom of choice) und ist ein weit verbreitetes Axiomensystem für die Mengenlehre. Es geht im Wesentlichen zurück auf Ernst Zermelo und Abraham Adolf Fraenkel. Das pragmatische Ziel bei der Entwicklung von ZFC war, möglichst alles, was man in der Mathematik an Mengenlehre brauchte, zu erlauben,  aber die entdeckten Widersprüche in den Frege'schen Axiomen und in der "naiven" (also nicht durch Axiome geregelten) Mengenlehre zu vermeiden. 

 

Ausgehend von dem 1908 veröffentlichten ersten Vorschlag Zermelos wurde das Axiomensystem verschiedentlich ergänzt und modifiziert (u. a. auf Anregung von Fraenkel). Das Unendlichkeitsaxiom und das Auswahlaxiom waren in der ursprünglichen Version von 1908 enthalten, fehlten aber in der 1930 als ZF-System veröffentlichten Version. Später wurden beide Axiome wieder aufgenommen, aber nur das Auswahlaxiom bekam aufgrund seiner besonders intensiven Diskussion einen eigenen Buchstaben in der Abkürzung ZFC.

 

Zunächst wurden die Axiome umgangssprachlich formuliert. 1929 gab Thoralf Skolem eine Fassung an, die in einer formalen Sprache der Prädikatenlogik erster Stufe formuliert war.  "Erste Stufe" bedeutet dabei, dass in Ausdrücken wie "Für alle x gilt ..." oder "Es gibt ein x, für das ... gilt" die Variable x nur für Mengen stehen darf und nicht für Prädikate, also zum Beispiel für Eigenschaften von Mengen. Skolems Formalisierung machte ZFC einer präzisen Untersuchung im Rahmen der Logik zugänglich.

 

Ich gebe unten eine umgangssprachliche Formulierung der Axiome an, denn im Vordergrund steht hier nicht die Präzision der Formulierung, sondern die Verdeutlichung der Idee hinter den Axiomen. Wenn Sie mit Axiomen nicht vertraut sind, kommt Ihnen die eine oder andere Formulierung vielleicht trotzdem ungewohnt oder kompliziert vor.

 

Noch eine Vorbemerkung: ZFC wird heute üblicherweise ohne Urelemente formuliert. Das bedeutet: In der Mengenlehre gibt es nichts als Mengen. Alle vorkommenden Objekte sind Mengen. Auch das ist vielleicht ungewohnt, denn in der "normalen" Mathematik gibt es ja viele Dinge, die erst einmal keine Mengen sind: Zahlen, Funktionen, Paare, Tripel und so weiter. Will man die Mathematik auf der Mengenlehre aufbauen oder Modelle für axiomatische Theorien bereitstellen, muss man für alle relevanten Begriffe geeigneten mengentheoretischen Ersatz finden. Dass dies tatsächlich weitestgehend möglich ist, hat die mathematische Praxis gezeigt und erklärt die zentrale Rolle der Mengenlehre für die Mathematik.

 

Auf dieser Website finden sich einige Beispiele für einen solchen mengentheoretischen Ersatz:

  • Die im Unendlichkeitsaxiom vorkommenden Elemente der geforderten unendlichen Menge können als mengentheoretischer Ersatz für die natürlichen Zahlen dienen.
  • Die reellen Zahlen werden als Unterklassen Dedekind'scher Schnitte mengentheortisch definiert.
  • R³ ist der mengentheoretische Ersatz für den Anschauungsraum der euklidischen Geometrie. 

Die Axiome von ZFC

§1 Existenzaxiom

Es gibt eine Menge.

 

Wenn dieses Axiom nicht erfüllt wäre, dann wäre die Mengenlehre ziemlich langweilig. Trotzdem ist das Existenzaxiom in dieser Aufstellung eigentlich überflüssig, denn aus dem weiter unten stehenden Unendlichlichkeitsaxiom folgt ebenfalls die Existenz einer Menge. Es wird trotzdem oft mit angegeben, weil man es dann braucht, wenn man Abwandlungen von ZFC (ohne Unendlichkeitsaxiom) untersucht.

 

§2 Extensionalitätsaxiom

Zwei Mengen sind gleich, wenn sie die gleichen Elemente enthalten.

 

Mengen sind also durch ihre Elemente vollständig definiert. Es kommt weder auf die Reihenfolge der Elemente an, noch auf Mehrfachnennung oder einen Bedeutungskontext.

 

Beispiele:

  • Es ist {1, 2, 3}={3, 2, 1, 2}.
  • Die Menge aller geraden Primzahlen größer 2 ist gleich der Menge aller reellen Zahlen, deren Quadrat -1 ist. Beides ist die (nach dem Extensionalitätsaxiom eindeutig bestimmte) leere Menge.

  

§3 Aussonderungsaxiome

Dies ist kein einzelnes Axiom, sondern ein sogenanntes Axiomenschema. Es enthält zu jeder "definiten Eigenschaft" E das folgende Axiom:

 

Zu jeder Menge A gibt es eine Menge, die genau die Elemente aus A mit der Eigenschaft E enthält.

 

Beispiel: Mit der Eigenschaft "ist eine Primzahl" ergibt sich das Axiom: Zu jeder Menge A gibt es eine Menge, die genau alle Elemente aus A enthält, die eine Primzahl sind. Je nachdem, welche Menge wir für A einsetzen, kann das Ergebnis natürlich unterschiedlich sein.

 

(Nach der Präzisierung von Skolem sind "definite Eigenschaften" gerade die mit Parametern definierbaren einstelligen Prädikate in der für die Mengenlehre benutzten formalen Sprache.)

 

Mit den Aussonderungsaxiomen lassen sich bereits Schnittmengen und Differenzmengen definieren, nicht hingegen Vereinigungsmengen. Dafür werden die nächsten beiden Axiome gebraucht.

 

§4 Paarmengenaxiom

Zu je zwei Mengen A und B gibt es eine Menge, die genau A und B als Elemente enthält: die Paarmenge {A, B}.

 

Wendet man das Paarmengenaxiom auf zwei gleiche Mengen an, entsteht eine Einermenge, aus X und X zum Bespiel die Paarmenge {X, X}={X}. Zusammen mit dem als nächstes aufgeführten Vereinigungsmengenaxiom kann man mit dem Paarmengenaxiom auch Dreier-, Vierer- Fünfermengen und so weiter bilden.

 

§5 Vereinigungsmengenaxiom

Zu jeder Menge M gibt es eine Menge, die genau alle Elemente der Elemente von M enthält. Diese Menge heißt die Vereinigungsmenge von M.

 

Man muss sich also die Elemente von M als diejenigen Mengen vorstellen, die vereinigt werden sollen. 

 

Beispiel: Sollen die beiden Mengen {1, 2, 3} und {4, 5, 6} vereinigt werden, so bildet man erst mit dem Paarmengenaxiom die Paarmenge M={{1, 2, 3}, {4, 5, 6}} und dann mit dem Vereinigungsmengenaxiom die Vereinigungsmenge {1, 2, 3, 4, 5, 6}.

 

Die scheinbar unnötig komplizierte Formulierung des Vereinigungsmengenaxioms hat den Vorteil, dass man damit auch unendlich viele Mengen vereinigen kann, wenn diese als Elemente einer Menge gegeben sind. Unendliche Vereinigungen kommen in der Mathematik häufig vor.

 

§6 Potenzmengenaxiom

Zu jeder Menge M gibt es eine Menge, die genau alle Teilmengen von M als Elemente enthält. Diese heißt Potenzmenge von M und wird mit Pot(M) bezeichnet.

 

Weitere Details im Artikel Potenzmengenaxiom.

 

§7Unendlichkeitsaxiom

Es gibt eine Menge, die die leere Menge enthält und zu jedem Element X auch einen "Nachfolger" X', der genau alle Elemente von X enthält und zusätzlich noch die Menge X selbst. X' ist also die Vereinigung von X und {X}.

 

Ausgehend von der leeren Menge entsteht durch fortgesetzte Nachfolgerbildung eine unendliche Folge untereinander verschiedener Mengen. Das Unendlichkeitsaxiom sichert damit die Existenz einer unendlichen Menge. Weitere Details im Artikel Unendlichkeitsaxiom.

 

§8 Ersetzungsaxiome

Dies ist kein einzelnes Axiom, sondern wieder ein Axiomenschema. Es enthält zu jeder "Ersetzungsvorschrift" das folgende Axiom:

 

Ist die Ersetzungsvorschrift eindeutig, so gibt es zu jeder Menge A auch die Menge, die dadurch entsteht, dass man die Elemente von A gemäß der Ersetzungsvorschrift ersetzt. 

 

(Nach der Präzisierung von Skolem sind die "Ersetzungsvorschriften" gerade die mit Parametern definierbaren zweistelligen Prädikate in der für die Mengenlehre benutzten formalen Sprache.  Ein solches Prädikat P ist eine eindeutige Ersetzungsvorschrift, wenn es zu jedem x genau ein y mit P(x,y) gibt. Die Bedeutung ist dann: "Ersetze x durch das eindeutig bestimmte y")

 

§9 Fundierungsaxiom

Jede nicht leere Menge M besitzt ein in Bezug auf die Elementbeziehung minimales Element, das heißt ein Element, das seinerseits kein Element aus M mehr enthält.

 

Noch etwas umgangssprachlicher formuliert: Das "Aufdröseln" in Elemente muss in jeder Menge irgendwo zu Ende sein. Es gibt zwischen den Elementen von M keine unendliche absteigende Elementbeziehung der Art X0 enthält X1 enthält X2 enthält X3 und so weiter.

 

Das Fundierungsaxiom verhindert insbesondere Mengen, die sich selbst als Element enthalten, und zyklische Elementbeziehungen wie X ist Element von Y und Y Element von X (oder längere Zyklen).  Es sorgt dafür, dass das Mengenuniversum hierarchisch gegliedert und von "unten nach oben" aufgebaut ist (Von-Neumann-Hierarchie).


§10 Auswahlaxiom

Zu jeder Menge M von nicht leeren, überschneidungsfreien Mengen gibt es eine Menge, die aus jedem der Elemente von M genau ein Element enthält.

 

Die Elemente von M sind also Mengen und das Auswahlaxiom fordert die Existenz einer Auswahlmenge, die aus jeder dieser Mengen genau einen Repräsentanten enthält. Weitere Details im Artikel Auswahlaxiom.